1873 blickte die Welt nach Wien. Was jedoch zum großen Erfolg hätte werden sollen, endet im finanziellen Debakel. Nur wenige Tage nach der Eröffnung der Weltausstellung crashte die Börse. Viele Unternehmer verloren ihr gesamtes Erspartes. Nicht nur, dass eine Selbstmordwelle über die Stadt hereinbrach, Zu allem Übel erschütterte auch noch die Cholera Wien – unter den Opfern befanden sich auch Touristen wie die Britin Anna-Maria Brewster, die zur Weltausstellung angereist war. Abgestiegen war sie im zur Eröffnung fertiggewordenen Hotel Donau auf der Praterstraße. Nur wenige Stunden nachdem sich die Frau über die Wasserqualität beschwert haben soll, stirbt sie, wie Alexander Bartl in „Wien – Walzer – Wasser“ schreibt, nach heftigen Bauchschmerzen und Durchfall.
Brewster war damit eines der ersten Opfer der Seuche, die bis Oktober in der Stadt wütete und an die 3.000 Menschen das Leben kosten sollte.
Obwohl man bereits im Vorfeld der Weltausstellung von den Gefahren eines Seuchenausbruchs wusste (seit dem ersten Auftreten der Cholera im Jahr 1831 bis zum letzten großen Ausbruch 1855 hatte man zahlreiche Todesopfer zu beklagen gehabt) war es bis nicht gelungen die Versorgung der Stadt mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser zu gewährleisten. Ein Großteil der Menschen – darunter auch die Gäste im Hotel Donau – waren nach wie vor auf die Wasserversorgung aus den oftmals verschmutzten Hausbrunnen angewiesen.

Wie schlecht die Qualität des Wiener Wassers damals war, zeigt eine etwa zur gleichen Zeit stichprobenartigen Untersuchung der Hausbrunnen, von denen laut Bartl kein einziger unbedenkliches Wasser lieferte. Zwar hatte es bereits zuvor mehrere Versuche gegeben eine bessere Wasserversorgung für Wien zu schaffen, doch die Ergebnisse der beispielsweise 1804 errichtete Albertinischen Wasserleitung waren unzureichend. Auch die 37 Jahre später eröffnete Kaiser Ferdinands-Wasserleitung, bei der das Wasser aus der Donau filtriert wurde, reichte bei weitem nicht aus die seit der Eingemeindung der Vorstädte 1850 stark angewachsene Bevölkerung mit reinem Trinkwasser zu versorgen. Erst die Errichtung der ersten Wiener Hochquellenwasserleitung vor 150 Jahren brachte die erwünschte Verbesserung und bescherte Wien erstmalig jene Wasserqualität, auf die man heute mit Stolz verweist. Für ihre Konstruktion zeichnete der Geologen Professor Eduard Suess verantwortlich. Suess hatte bereits im Vorfeld eine ausführliche Studie durchgeführt und dem Gemeinderat vorgelegt. Der Beschluss zur Errichtung erfolgte im Juli 1864, zum ersten Sprengschuss im Höllental kam es Anfang Dezember 1869. In knapp vier Jahren Bauzeit gelang es das Wasser unter anderem von der Kaiserbrunnenquelle im rund 100 Kilometer entfernten Rax-Schneeberg-Gebiet mittels Fernleitung in die Stadt zu leiten.
Obwohl es nicht gelungen war, die diese bereits zu Beginn der Weltausstellung in Betrieb zu nehmen, war die Freude naturgemäß groß als das Hochquellwasser zum ersten Mal am 1. September 1873 in Wien einfloss und die Reservoirs befüllte. Wenige Wochen später konnte am 24. Oktober endlich auch feierlich der Hochstrahlbrunnen eröffnet werden. Seine Errichtung verdankt er der Verpflichtung des in London lebende italienische Bauunternehmer Antonio Gabrielli aus einem Prozent der zurückgestellten Baukosten der Leitung einen repräsentativen Brunnen zu errichten. Unter den Gästen befand sich auch Bürgermeister Cajetan Felder, der in seinen Erinnerungen schrieb, wie das Wasser „allmählich höher und höher stieg, um sodann, in perlendem Schaum aufgelöst, den Sonnenstrahl in vielfältige Regenbogen brechend, nieder stürzten“. Ein wahrlich geschichtsträchtiges Ereignis, das unter anderem auch Eduard Strauss zur Polka Mazur „Die Hochquelle“ inspirierte. Noch heute spritz das Wasser im Wiener Hochstrahlbrnnen jedes Jahr aufs Neue von Ende März bis Ende Oktober fontänenartig in die Höhe. Seit 1906 – dem Umbau des Brunnens durch Oskar Marmorek – sind die Wasserspiele zusätzlich beleuchtet. Ein 1928 enthülltes Denkmal von Eduard Suess befindet sich heute (nach der Demontage durch die Nationalsozialisten) wieder neben dem Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz.

Zweite Hochquellwasserleitung
Da die Kapazität der ersten Wiener Hochquellwasserleitung für die Versorgung der Wiener Bevölkerung jedoch langfristig nicht ausreichte, beschloss man im März 1900 den Bau einer zweiten Hochquellenwasserleitung aus dem Hochschwabgebiet kommend. Sowohl die I. als auch die 1910 eröffnete II. Hochquellenwasserleitung erfuhren in den darauffolgenden Jahren eine Erfassung weiterer Quellen. Zusammengenommen liefern die beiden Leitungen heute täglich bis zu etwa 400 Milionen Liter Wasser nach Wien. Der dabei entstehende Wasserdruck wird zudem zur Produktion von Energie durch Wasserkraftwerke genutzt. Laut dem Wiener Strategieplans „Wiener Wasser 2050“wird damit mittlerweile bereits fast fünfmal so viel Strom erzeugt, wie für die Wiener Wasserversorgung verwendet wird. Mit der Installation von Photovoltaik-Anlagen auf den Wasserbehältern soll die Stadt zukünftig „einen weiteren Energieschub“ erfahren. Bis zum Jahr 2050 wird die Kapazität 450.000 Kubikmeter pro Tag für 2,2 Mio. Menschen beantragen.
Mehr zum Thema Wasserversorgung können Interessierte im „Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunn“ erfahren. Neben einem historischen Überblick bieten sich hier unter anderem Einblicke in das mehr als 3.000 Kilometer lange Wiener Wasserrohrnetz sowie in die Quellstube. Das Gebäude, in dem das Museum untergebracht ist, diente dem ersten Wasseraufseher einst als Wohnung und Arbeitsplatz. Die Anlage ist Teil des ersten Wiener Wasserwanderwegs, auf dessen Spuren man sowohl das Wiener Quellenschutzgebiet oder das rund 700 Meter lange Aquädukt durch das Helenental im Bereich Baden erkunden können. Letzteres ist eines von insgesamt 130 Aquädukten des Wasserversorgungsnetzes.

Titelbild: Franz Kollarz (Kolář) (Künstler), „Feierliche Eröffnung des Hochstrahlbrunnens der Alpwasserleitung in Wien.“, 1873, Wien Museum Inv.-Nr. W 2506, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/376537/)

Geschrieben von Sandra Schäfer